Wie verteilt man die zwölf Apostel auf die vierzehn Säulen, also die fünf Pfeilerpaare des Langhauses und die vier Vierungspfeiler des Münsters? Man ergänzt sie mit Paulus und stellt zusätzlich den Chef der Truppe ganz vorne an die südöstliche Säule der Vierung. Der als sein Stellvertreter angesehene Apostel wird der kompositorischen Spannung wegen diagonal gegenüber, also ganz hinten an der letzten nordwestlichen Säule des Längsschiffs platziert, Simon genannt Petrus.
Wie ein wütender heiliger Paulus beklagt, gab es Parteien in der frühen nachösterlichen Jesusbewegung, unter anderem die Kephas-, also Petruspartei (1 Kor 1,12). Sie hat es nach Meinung des historisch-kritischen Bibellesers geschafft, an mehreren Stellen der Evangelien markige, kirchenpolitisch sehr folgenreiche Worte über Petrus zu platzieren. Sicher, wie der Tor spöttisch einwirft, stammen sie so nicht vom historischen Jesus. Berthold Schwarz vom Rathausplatz hat eher an Kernfusion gedacht als der historische Jesus an eine Kirche. Zu diesen starken Petrusworten zählt das von seiner Schlüsselgewalt (Mt 16,18). Und deswegen hat unser Petrus einen grossen Schlüssel in der Hand. Aber die Opposition gegen den beginnenden kirchlichen Zentralismus schlief nicht und konterte mit der Erzählung vom dreimaligen Verrat des Petrus vor prophezeitem Hahngekrähe (Mk 14,30). Man beabsichtigte, mindestens ein Bein des drohenden Papstthrons abzusägen. Aber hier ging der Schuss nach hinten los: Die diskriminierende Enthüllung minderte keineswegs die Popularität des Sünders, im Gegenteil, menschliche Schwächen unserer Stars machen sie uns umso liebenswerter. Und dann setzte sich die Lesart durch, dass die Hinrichtung Jesu nicht der Supergau, sondern der Clou war, auf den die ganze Existenz Jesu gezielt hatte. So wurde das Handeln des Petrus völlig undramatisch.
Dass er mich mit seinem rechten Auge ein wenig abgeknickt anschaut, irritiert mich. Er blickt liebenswürdig, intelligent und etwas abgeklärt, aber keineswegs resigniert zwischen Haarschopf und Bart hervor; er hat noch keine Ahnung, wer in den kommenden Jahrhunderten auf seinem Stuhl sitzend die befremdlichsten Sachen machen wird. Ich nenne nur Papst Alexander VI. Borgia (1492 -1503) und Papst Johannes Paul II. (1978 – 2005). Beide haben sich in problematischer Weise um das Bevölkern des Jenseits bemüht, der Exilkatalane Borgia mit Gift und Dolch (was allerdings nicht bewiesen sein soll), der in Italien einfühlsam als Santo subito, als plötzlich Heiliger, titulierte Joh. Paul II. mit Heiligsprechungen im (fast) Stundentakt. Man schrieb so ungefähr das Jahr 1310, als man in Freiburg den ersten Papst aus dem Stein meisselte. 1879 hat man ihn, wohl nicht zum ersten Mal, schön angemalt.
Die nächste Miniatur folgt am nächsten Wochenende: „Die Schlange im Paradies I“.
Wunderschön, die für das kleine Auge unsichtbaren Bilder so vermittelt zu bekommen. Ein Meisterwerk der Fotografie!
Und die Kommentare: mehr als eine vergnügliche Lektüre, geschrieben mit Fachwissern und einer intelligenten Satire.
Chapeau!
Renate
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