Heiligkeitspolitisch stellte Nikolaus zusammen mit Martin von Tours eine Neuerung dar: Abgesehen von einigen biblischen Gestalten waren die zwei die ersten Heiligen, die keine Märtyrer waren sondern eines profanen Todes gestorben waren. Mit ihnen beiden wurde somit eine neue Heiligenkategorie kreiert, die „Bekenner“. Und die war auch bitter nötig: Bisher hatten die Christenverfolger zuverlässig immer neue Heilige geliefert, wobei die Legendenbildung sicher noch speditiver (das Wort habe ich vom Schweizer Kabarettisten Emil Steinberger) war als die Fakten. Mit der Konstantinischen Wende, als das Christentum ab dem Jahr 313 geduldet und dann hoffähig wurde, war Not am Mann, und zwar gleich doppelt: Keine neuen Heiligen mehr und ein steigender Bedarf an ihnen und ihren Reliquien; die Zahl der Christen nahm nämlich zu, es war ja nicht mehr gefährlich, Christ zu sein, bot vielmehr bald Vorteile. Wer die rettende Idee mit den Bekennern hatte, ist nicht überliefert; er hätte eine Heiligsprechung verdient. – Um dem christlichen Sado-Masochismus wenigstens ein bisschen zu genügen, wurde von Nikolaus berichtet, er sei bei einer letzten Christenverfolgung verhaftet und gefoltert worden. Nachdem seine Verehrung als Heiliger begonnen hatte, wurde ihm irgendwann in Demre, dem früheren Myra, eine Kirche gebaut. Dort wurde auch ein wundervoller Sarkophag aufgestellt, in dem sich angeblich seine Gebeine befanden.
Im Jahr 1087 hat es dann ein spektakuläres Ereignis gegeben, das seine Popularität im Westen beträchtlich erhöhte: Die türkischen Seldschuken waren dran, sich ein Grossreich aufzubauen und hatten sich angeschickt, Kleinasien einzunehmen. So waren sie auch nach Demre gekommen. Und damit waren die kostbaren Reliquien des sehr wichtigen Hl. Nikolaus in Gefahr, in gottlose Hände zu fallen. Angeblich um sie davor zu retten, vielleicht auch mit realistischem Geschäftssinn haben Geschäftsreisende aus dem süditalienischen Bari eingegriffen. Sie haben den Sarkophag mit roher Gewalt geöffnet – man kann das wüste Loch heute noch sehen, am einfachsten im Nikolaus-Artikel von Wikipedia. Die darin befindlichen Knochen haben sie eingepackt und am 9. Mai 1087 im Triumphzug in Bari abgeliefert. Flugs wurde über ihnen eine prächtige Nikolauskirche gebaut und der Sakraltourismus blühte auf. Seitdem feiert Bari jedes Jahr diesen Handstreich an seinem Jahrestag mit einem opulenten Fest.
Das Bild hier zeigt den H. Nikolaus wundertätig. Er rettet Seefahrer, indem er mit seinem Bischofsstab den Sturmteufel aus dem Segel schlägt. Dieser Teufel mit seinem Rüssel sei eine Besonderheit der oberrheinischen Kunst, wie man dem Glasfensterbüchlein von Frau Mittmann entnehmen kann. Wir verdanken ihn und das ganze Fenster einer Familie Tulenhaupt und der Silbergrube „Dieselmuot“ , die es zwischen 1320 und 1330 stifteten. Über diese Familie war nichts näheres zu erfahren, ausser dass das Stifterehepaar Franz und Adelheid hiessen, wie man auf dem Fenster lesen kann. Das Fenster befindet sich im südlichen Seitenschiff.
Die nächste Miniatur am nächsten Wochenende: Ochs und Esel an der Krippe.