Wieder ein Verlierer der Heilsgeschichte, ein eschatologisch Kollateralgeschädigter. Das sind immer kleine Leute, er war auch Knecht. Sein Brötchen-, seinerzeit wohl Matzegeber war der amtierende Hohepriester Kajaphas. An jenem späten Donnerstagabend war er zu einem SEK abkommandiert worden. Es war vor dem Pessach ungefähr des Jahres 30 nach der falsch berechneten Geburt des Mannes, dem er seinen Ärger letztlich verdankte. Sie sollten diesen vom römischen Geheimdienst schon länger observierten möglichen Revoluzzer namens Jesus dingfest machen. Sie hatten ihn mit seinen Komplizen im Jerusalemer Stadtgarten identifiziert und keiner von ihnen dachte was Böses. Diese Typen hatten nämlich, um den Verdacht des Aufruhrs gar nicht erst aufkommen zu lassen, für ihren Chef ein lupenreines Softieimage aufgebaut. Das hat der mit seiner Nazarenerfrisur sinnenfällig unterstrichen – er sah völlig überzeugend friedensbewegungsbewegt aus. Mit Gegenwehr hatte also keiner gerechnet. Das Kommando rückte aus dem Licht der Strassenlampen in den dunklen Park, und sie sahen deswegen erst gar nichts. Aber dann sah der arme Malchus plötzlich Sterne. Und ein stechender Schmerz am linken Schädel tat ihm kund, dass das bisher dort befindliche Ohr einem Schwerthieb zum Opfer gefallen war. Der war ausgeführt worden, wie er später von seinem Cousin (Joh 18,26) erfuhr, vom stellvertretenden Anführer der Clique, einem gewissen Simon. Dem Malchus nützte nix, dass der Chef der Gang unwillig so etwas knurrte wie: „Lass den Scheiss, Simon“. Er ging zu Boden und streckte seine vier Extremitäten ziemlich verquer in den weiteren Gang der Kirchengeschichte, wie unser schönes Bild zeigt. Das Bild stützt auch die Hypothese, dass Simon Petrus beim Vortrag der Maxime „Selig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben“ (Mt 5,3) ein kleines Aufmerksamkeitsdefizit aufwies. Er bedenkt den Strauchelnden ja noch mit einem Fusstritt zusätzlich. Die beiden sind nach dem Jahr 1270 in Sandstein gehauen worden für das Turmhallentympanon. Man findet sie in der untersten Zeile auf der linken Seite im Zusammenhang der Gefangennahmeszene Jesu; farbig gefasst wurden sie dann öfters, zuletzt von Fritz Geiges in den Jahren 1888 und 1889. Und es drängt sich der Eindruck auf, dass der Theologe im Hintergrund und der Künstler aus tiefster Seele billigen, was diesem Malchus, diesem lächerlichen Juden mit seinem Hut, hier geschieht.
Die Geschichte wird von allen vier Evangelisten erzählt (Mt 26,51f; Mk 14,46; Lk 22,50f; Joh 18,10f); als einziger fügt Lukas an, Jesus habe flugs das Malheur korrigiert und den armen Malchus durch eine Berührung mit seiner Hand wundergeheilt. Der Historisch-Kritische und der Tor waren sich in der Redaktionskonferenz einig, dass das sicher nicht stimmte, sondern erfunden wurde, um das ramponierte Image der primären Jesusbewegung als gewaltfreie Friedenstruppe zu reparieren.
Nächste Woche geht es weiter Richtung Ostern mit dem Verrat des Judas.