Wenn das Verhältnis von Jesus zu Johannes dem Täufer das von Herr und Knecht war, wie der Evangelist Johannes klar zu erkennen gibt, dann stellt sich eine Frage, die übrigens in einem berichteten Dialog Jesu mit Johannes (Mt 3,13) auch ganz leicht anklingt: Warum hat Johannes seine eigene Reinigungsfirma nicht geschlossen und bei Jesus um eine Anstellung nachgesucht, sobald er kapiert hatte, mit wem er es zu tun hatte? Die Antwort, so meint der spottende Tor, findet sich in der Oper „Porgy and Bess“. Sie wird vom Windhund Sportin‘ Life bezüglich biblischer Geschichten so formuliert: “It ain’t necessarily so“, es war nicht notwendigerweise so wie erzählt. Wie sonst? Hypothetisch – der Historisch-Kritische zögert etwas, so weit zu gehen: Die Johannes-Bewegung war sehr gross. Jesus hatte sich zuerst ihr angeschlossen, er hat sich ja taufen lassen von Johannes und ihn als „den Grössten von einer Frau Geborenen“ bezeichnet. Doch dann hat er sich selbständig gemacht und eine eigene Erweckungsbewegung gegründet. Seit der Zeit waren die beiden konkurrierende Anbieter auf dem Markt der endzeitlichen Buss- und Erweckungsbewegungen unter den Juden. Aber dann passierte dem Johannes und seiner Gruppe das Malheur, dass sie aufgrund des betörenden Hüftschwungs der schönen Salome (Mk 6,22) ihren Kopf verloren. Die Akteure der Jesusbewegung waren in den folgenden Jahren hurtig zur Stelle, um die versprengten Schafe des Johannes in die eigenen Reihen zu integrieren. Zur ideologischen Unterfütterung legten sie in ihren Schriften dem Johannes ihre eigenen Wahrheiten in den Mund, von denen der zu seinen Lebzeiten keinen Dunst hatte. Da es sich um Wahrheiten handelte, die sie ihn sagen liessen, kann man das ja schwerlich als Lügen bezeichnen, oder?
Für das Bild hier braucht man gute Nerven: Links im Hintergrund ist abgebildet, wie der Henker dem armen Johannes den Kopf abschlägt; der Engel darüber sieht merkwürdiger Weise keinen Anlass zu intervenieren. In der Mitte bringt ein Diener diesen Kopf der interessiert dreinblickenden Salome, und rechts sieht man noch die Anstifterin des ganzen, die böse Herodias, neue Ehefrau des Herodes, mit ihrem Mann beim Festmahl sitzen. Auf dem hatte die schöne Salome so hinreissend getanzt, dass sie sich alles von Herodes wünschen durfte. Auf Anraten ihrer Mutter, die was gegen Johannes hatte, wünschte sie sich dessen Kopf. Die kleinen Figürchen befinden sich zu Füssen des mittleren Drei-Königs im linken Gewände des Hauptportals in der Turmhalle.
Das Hochfest der Geburt des Johannes feiert die römische Kirche am 24. Juni, er war ja ein halbes Jahr älter als Jesus; die leichtschwangere Jungfrau Maria hat ja bekanntlich ihre hochschwangere Cousine besucht (Lk 1,39ff).
Die nächste Miniatur beschäftigt sich datumgerecht mit Peter und Paul, Focus auf Paul gerichtet.