Paulus und die Frauen

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Ausnahmsweise gab es heute in der Redaktionskonferenz keinen Knatsch, wir waren uns alle einig: Ein imponierender Mann, der Paulus. Und insgesamt mit seinen Ecken und Kanten sehr sympathisch. Un-schein-bar, aber sehr präsent, so stellte ihn auch der Bildhauer der Apostelfiguren an den Langhaussäulen dar. Aber auch unverständlich, ein gnadenloser Gegner, ein getriebener Gottesbote, ein tiefschürfender Gottesgelehrter und ein Visionär, ein Ekstatiker, dessen Erlebnisse unbegreiflich sind. Und er gilt als Frauenfeind. Denn die markigsten Machosätze des ganzen Neuen Testaments stammen aus den sogenannten Paulusbriefen: „Das Weib sei dem Manne untertan…“ und „Das Weib hat in der Gemeinde zu schweigen…“

Aber war er das wirklich? Seine Praxis in seinen Gemeinden war eindeutig: Am Schluss des Römerbriefs (16,1ff) erwähnt er mehrere Frauen namentlich, und bei zweien erwähnt er so etwas wie Funktionsbezeichnungen. Zum einen ist da Phöbe, die er wohl (als Postbotin?) nach Rom geschickt hat; sie ist auch „diakonos“ in ihrer Heimatgemeinde. Zum andern Junia, die zusammen mit einem gewissen Andronikus den höchsten Ehrentitel mit Eichenlaub und Schwertern bekommt, den er vergeben kann: sie „ragen heraus unter den Aposteln“. Und im 1. Korintherbrief (11,4) wird ganz selbstverständlich erwähnt, dass Frauen aktiv und lautstark am Gottesdienst teilnehmen.

Die Theorie scheint dem gegenüber und in sich selbst sehr widersprüchlich. Die relevanten Texte sind:

1 Kor. 11,2ff: Hier geht es darum, dass die Frauen im Unterschied zu den Männern im Gottesdienst ein Kopftuch tragen sollen. Paulus argumentiert befremdlich, nicht nachvollziehbar, und widerspricht dann der eigenen Argumentation in einem wichtigen Punkt selber. Es scheint, es sind insgesamt nicht seine Argumente. Und plötzlich bricht er abrupt ab: Schluss der Debatte, bei uns macht man es so.

Gal 3,28: Mit Glauben und Taufe gilt: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.“

1 Kor 14,33b ff: Das Weib hat in der Gemeinde zu schweigen.

Eph 5, 22ff: Das Weib soll sich dem Manne unterordnen.

1 Tim 2, 11ff: Das Weib soll sich still verhalten, sich belehren lassen und Kinder kriegen. (gleichsinnige weitere Texte in 2 Tim und Tit.)

Die Textkritik hat allerdings ergeben, dass nur 1 Kor 11,2ff und Gal 3,28 authentische Paulustexte sind: Der Epheserbrief wurde wohl erst etwa 30 Jahre nach dem Tod von Paulus geschrieben, die Timotheus- und der Titusbrief vielleicht noch später. Und 1 Kor 14,33ff ist ein späterer Einschub in den Originaltext, eine schlecht gemachte Fälschung, denn der Einschub unterbricht einen Gedankengang, der danach logisch weitergeführt wird; und inhaltlich widerspricht das Schweigegebot der drei Kapitel zuvor erwähnten Praxis des Frauenredens in der angeschriebenen Gemeinde. Zur Frage nach der Einstellung des Paulus können wir diese Texte getrost vergessen.

Dem Historisch-Kritischen legt sich folgende Schlussfolgerung nahe: In Gal 3,28 haben wir die Theorie zur Praxis des Römerbriefschlusses – es gibt keine theologisch irgendwie relevanten Unterschiede zwischen Männern und Frauen in der Erlöstensituation und damit in der Kirche. Aber Paulus bewegte sich in der frühen sekundären Jesusbewegung in einem Feld konkurrierender Gruppen und scharfer Gegensätze. In einem dieser Felder hat er auf ganzer Linie gesiegt, bei der Ablehnung der Übernahme jüdischer Gebote für Heidenchristen, insbesondere der Beschneidung. Ein anderes Minenfeld war anscheinend die Frauenfrage, und hier hat man mit harten Bandagen gekämpft – siehe das fast spurlose Verschwinden von Mirjam von Magdala nach Ostern. Interessant, dass in den gnostisch-häretischen Schriften, die diese Mirjam noch erwähnen, von einer entschiedenen Gegnerschaft dieser Frau zu Petrus gesprochen wird; vielleicht eine Erinnerung an frühe Positionen. Paulus selber scheint einen Kompromiss gewollt zu haben – vielleicht im Rahmen eines Gesamtpakets strittiger Fragen zwischen Juden- und Heidenmissionaren auf dem sog. Apostelkonzil ausgehandelt -,  deswegen übernimmt er die Kleiderordnung für seine Gemeinden, ohne sie allerdings theologisch begründen zu können. Aber es hat sich in diesem Feld die grundsätzliche paulinische Position nicht durchgesetzt: Wie die Pseudo-Paulusbriefe zeigen, hatten die Frauen in den Gemeinden der 2. und 3. Generation nach Paulus den Maulkorb stramm umgeschnallt bekommen. Der Tor lacht: Bis heute blieb den Christen  die Vorhaut erhalten – den (römisch-katholischen) Christinnen aber auch ihr Maulkorb.

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