Johannes der Taucher oder die Erfindung der Taufe

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Dem Hl. Johannes dem Täufer wurden schon zwei Miniaturen gewidmet. Dabei sind wir auf sein Markenzeichen,  das sogenannte Taufen, gar nicht eingegangen. Nur die Frage haben wir gestellt: Was hat Johannes eigentlich gemacht, als er „taufte“? Von wem hat er das übernommen oder wozu hat er es erfunden?

Im Neuen Testament wird sein Tun mit einem geläufigen griechischen Alltagswort bezeichnet:  „baptizein“, und das heisst „eintauchen“, „untertauchen“. Der Künstlername des Johannes war also ursprünglich  „der (Ein-)Taucher“.

In ihrem Kommentar zu diesen Fragen unserer Johannesminiaturen hat Frau Helen Rickert unterstrichen, dass er mit Wasser gearbeitet hat, was er nicht erfunden hat. Er stellte sich vielmehr in eine alte Tradition vieler Religionen, in denen Wasser ein „Symbol für Reinheit und Klarheit“ ist. Im Judentum ist das Wasser Mittel und Symbol für physische, kultische und moralische Reinigung. Entsprechend gibt es  viele Formen des reinigenden Wassergebrauchs, viele Formen des auch kultisch definierten Badens.

Als wir das so besprachen, brach es plötzlich aus dem Ministranten und er sang: „Asperges me, domine, ysopo et mundabor…“ In den lateinischen Hochämtern seiner Jugend sang das der Chor, und auf deutsch heisst das: „Besprenge mich, Herr, mit Ysop und ich werde rein, wasche mich, und ich werde weisser als Schnee“ und ist Psalm 51, 9. – An dieser Stelle räumte der Historisch-Kritische einen alten Irrtum des Ministranten aus: Ysop war im Altertum kein hochfeines Duschgel, das vielleicht die Königin von Saba angewendet hat, bevor ihr der König Salomon seine Aufwartung machte. Als Ysop wurde ein Strauch bezeichnet., der sehr buschige Zweige hat, die sich trefflich als Weihwasserwedel eignen. – Damit haben wir einen ersten, traditionellen und ganz zentralen Gehalt des „Taufens“: Das reinigende Waschen  mit Wasser. Aber die „Taufe“ des Johannes hatte noch andere Seiten, die originell waren.

Bemerkenswert scheint allein schon, dass das Waschen des Johannes kein individuelles Waschen frommer Leute nach Anweisungen der biblischen Gesetze war, sondern Teil einer organisierten Kampagne, einer von Johannes ins Leben gerufenen Buss- und Erweckungsbewegung, deren zentraler Bestandteil dieses neuartige Waschen war. Und die Autorität, in der er dazu aufrief, war sein Anspruch, ein Prophet zu sein. Wie uns Frau S., unser telefonisches Notfallbibellexikon, versichert, war sein Leitbild der im Feuerwagen in den Himmel aufgefahrene Prophet Elias. Und sicher war er kein ungebildeter Wald- bzw. Wüstenschrat, sondern ein hochgebildeter jüdischer Theologe. – Der Historisch-Kritische meint, die Berichte, nach denen er direkt aus der Wüste kam, sollte man nicht zu tierisch ernst nehmen. Extremen Gottesmännern stand damals die Wüste einfach gut zu Gesicht; Jesus hat ja auch eine Turbopowerkurzwüstenzeit von 40 Tagen absolviert. – Und so kannte Johannes sein Altes Testament aus dem Effeff und wusste genau, was Prophetenart war, und so konnte er sich in Prophetenart verständlich inszenieren.

Zum zweiten ist interessant, dass Johannes nur am Jordan arbeitete. Eine wichtige Stelle, die in der Literatur über die Johannestaufe genannt wird, ist 2 Kön 5. Hier wird die Geschichte erzählt vom reichen aber aussatzkranken Aramäer Naaman, der auf Umwegen in die Nähe des Propheten Elischa kam auf der Suche nach Heilung. Der Prophet nahm sich seiner an, denn „dann wird er erfahren, dass es in Israel einen Propheten gibt“ (2 Kö 5, 8). Er gab ihm die Anweisung, sich siebenmal im Jordan zu waschen. Nach anfänglichem Gemaule gehorchte er „und tauchte siebenmal unter, wie ihm der Gottesmann befohlen hatte“ (2 Kö, 5,14). Die Therapie war erfolgreich, „er war rein.“ Damit ist der Jordan als Ort eines prophetischen Waschwunders eingeführt. Interessant ist, dass in der griechischen Fassung des Textes, in der Septuaginta, für dieses „Untertauchen“ dasselbe Wort verwendet wird wie später für des Johannes Waschtätigkeit.

Zum dritten sticht hervor, dass bei allen Formen religiös bedingter jüdischer Waschungen Eigenarbeit anstand, jeder wusch sich selber, Schwimmlehrer oder Physiotherapeuten waren nicht im Spiel. Anders bei Johannes: Er tunkte die Kundschaft eigenhändig ins Wasser. Es gibt Argumente anzunehmen, dass das seine Erfindung war. Damit kehren wir zurück zu Ps 51,9, den der Ministrant gesungen hat. Der Beter des Psalms bittet Gott: „Wasche mich, und ich werde weisser als Schnee.“  Wenn Johannes als Prophet und damit Bevollmächtigter Gottes die Menschen sie eintauchend wäscht, dann geht diese Gebetsbitte in Erfüllung: Nicht der Mensch wäscht sich und hofft auf Reinigung, nein, Gott wäscht ihn durch seinen Stellvertreter, und der Mensch  weiss, er wird vollkommen rein, eben weisser als Schnee. Mit Blick auf diese Psalmenstelle hat Johannes das Eintauchen möglicherweise angefangen. Und mit dieser Wucht im Sinn der Handlung übernehmen die frühesten Christen den Ritus in ihr Repertoire.

Wenn Johannes in der darstellenden Kunst  bei der Arbeit abgebildet wird, dann mit seinem prominentesten Klienten, mit Jesus. So auch in unserem Münster. – Der Tor maulte bei dieser Stelle unserer Textarbeit. Das sei doch fürwahr vergebliche Liebesmühe gewesen: Den Gottessohn, der beim besten Willen nicht sündigen konnte, als bekehrungswilligen Sünder taufen!  Wir übrigen konnten dagegen nichts sagen. – In der Stürtzel-Kapelle steht das von Johann Christian Wentzinger entworfene und von anderen Künstlern 1768 ausgeführte steinerne Taufbecken, dessen hölzerner Deckel die hier gezeigte Jesus-Johannes-Gruppe trägt. Es mutet befremdlich an, dass hier vergessen wurde, dass Johannes der Taucher seinen Täufling jüdisch eingetaucht hat; hier wird er nur katholisch spärlich betröpfelt. Aber natürlich sei ein halbnackter Jüngling fotogener als drei Luftblasen, die aus den Tiefen des Jordans hochblubbern.

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