Niedlich, wie die junge Mutti da ihren kleinen Nackedei auf dem Arm hat. Frisch gebadet ist er oder es ist wieder einmal ein Über-40-Grad-Sommer, und Maria packt ihn nur in ein Ende ihres Kopftuches, damit ihm nicht zu heiss wird. Könnte man meinen, aber die beiden lieben Gestalten erzählen eine ganz andere Geschichte. Konrad Kunze weist darauf hin: Am anderen Ende seines Lebens wird Jesus auch nackt sein, schmählich entehrt wird er so am Kreuz hängen; und dann wird seine Mutter ihren Schleier abnehmen und um ihn herumschlingen, um ihn wenigstens vor den beschämenden Blicken der Gaffer zu schützen. So steht es nicht in den kanonischen Evangelien, wohl aber in einem der zahlreichen apokryphen Texte der alten Kirche. Ja, das Kreuz ist allgegenwärtig in der mittelalterlichen Theologie und Kunst, und manchmal guckt es vor, wenn man es am wenigsten erwartet, so auch hier hinter der scheinbaren Idylle der Sternenkleidmadonna mit ihrem Jungen und hinter vielen anderen lieblichen Madonnen mit Kind.
Dem Toren fällt hier nichts ein. Bei der Madonna, die auch die „Mater dolorosa“, die Schmerzensmutter, ist und bei dem Kind, das auch der geschundene Jesus am Kreuz ist, hält er sein lockeres Maul, und das fällt ihm hier gar nicht schwer. Gottes Sohn oder nicht, was die beiden erleben mussten, ist einfach furchtbar; und wenn man nicht so ganz fest an das Happy-End an Ostern glaubt, ist alles um so schlimmer.