Auf diese Reihenfolge der Namen pocht Phöbe, unsere theologische Redaktionsteilzeitpraktikantin. Solange nicht alle Benachteiligungen der Frauen aus den Patriarchenzeiten beseitigt seien, müssten die winzigen Spuren von Privilegchen der damaligen Zeit konserviert werden. Deswegen nach wie vor Nennung der Frau vor dem Mann. Hier also die beiden, Eva rechts und Adam links, wie sie vor Gott dem Vater sich die Hand geben. Sie tun das in der rechten Archivolte des Schöpfungsportals auf der Nordseite des spätgotischen Chors, ganz unten rechts.
Im grossen Münsterbuch des Münsterbauvereins meint man, Gott verheiratet da die beiden. Die Formel war dann wohl nicht „Bis dass der Tod uns scheidet“, denn es war ja vor dem Desaster mit dem falschen Obst nicht ausgemacht, dass sie sterben mussten. Immerhin gab es im Paradies ja auch den “Baum des Lebens“, und vermutlich, so waren wir uns in der Redaktionskonferenz einig, hätten sie da irgendwann mal kontrolliert naschen dürfen mit endlosen Folgen. Der Ministrant sass einmal in der Stille der herrlichen Kirche „Santa Maria del mar“ in Barcelona, und da jauchzte unverhofft eine jubilierende Frauenstimme durch das hohe gotische Gewölbe: „Por toda la vida“, „für das ganze Leben“ versprach sich die überglückliche Braut einer Hochzeit, die er gar nicht wahrgenommen hatte. So hat es damals sicher auch im Paradies geklungen.
Aber gleich stellte sich uns die Frage, warum die beiden im Paradies überhaupt heiraten sollten. Ordnung schaffen durch die klaren Gartenzäune der ehelichen Treue? Fehlanzeige – erstens waren sie ja noch ohne Sünde, weswegen sie wohl gar nicht auf die Idee des Ehebruchs gekommen wären, und zweitens: mit wem? Zuständigkeiten klären bezüglich der Versorgung der Kinder? War doch auch so klar, kam ja kein anderer in Frage. Erbrechtliche Überlegungen? Auch ohne Bedeutung, mit ihrem Ableben rechnete ja niemand. Sakramentalen Segen für das Projekt Ehe? Auch nicht, Sakramente gibt’s ja erst in der Kirche, und bis es die gibt, müssen sich erst alle Geschichten des Alten Testaments ereignen. Ein schönes Fest feiern mit Verwandten und Freunden? Von Verwandten wussten sie nichts, denn Darwin lebte und lehrte erst viele Generationen später, so konnten sie keine Verwandtschaftsgefühle für ihre Geschwister vom Morgen des sechsten Schöpfungstag hegen, und von freundschaftlichen Kontakten mit Tieren hört man sehr wenig, nur mit der Schlange hat man anscheinend geredet, und das ging ja bekanntlich schief. Immerhin haben sie, wie uns Gen 1,29f lehrt, die Tiere noch nicht aufgegessen (das machten die Menschen erst nach der Sintflut, vgl. Gen 9,3), und das hätte Freundschaften etwas entkrampft. Schliesslich hatte Phöbe noch eine Idee: Vielleicht hat Eva die Sache eingefädelt. Ihr war die Gütergemeinschaft im Rahmen des Ehekommunismus‘ etwas langweilig, sie hatte überhaupt nichts eigenes, nicht einmal eigene Unterwäsche, wie man sieht. Und da rechnete sie: Wenn wir heiraten, muss er mir einen Ehering schenken, und der gehört dann mir, und darauf kann man dann schmuck- und geschenkemässig aufbauen; unseren Operationstag können wir ja in Zukunft als meinen Geburtstag feiern, und Hochzeitstag gibt’s ab jetzt auch.
Da berichtete der Historisch-Kritische, er sei auf eine Buchmalerei aus dem Jahr 1410 gestossen mit genau demselben Bildmotiv, Gott-Vater, der die Hände von Eva und Adam fürsorglich-zärtlich ineinander legt, und da hätten die Kunstgeschichtler dazu geschrieben: „Gottvater führt Eva dem Adam zu.“ Da wäre dann die Szene etwas anders gewesen: Nachdem Jung-Eva auch fertig war, standen sie einander gegenüber und blickten wie in einen Spiegel, und doch war das Ebenbild befremdlich anders. Da sagte Gott: Habt keine Angst (aber sie kannten ja noch keine Angst), sie beisst und kratzt nicht, und er schlägert nicht, ihr tut einander nur gut, ihr seid einander das Tüpfelchen aufs Paradies. Vorläufig, seufzte er, denn allwissend wie er war, war er mit Vorherwissen geplagt.
Und hier noch das ganze Tympanon samt Archivolten des Schöpfungsportals. Rechts ganz unten die paradiesische Rückseite unserer Urur……………………………………………………grossmutter. Was sie wohl gesagt hätte, wenn sie mitbekommen hätte, dass ich sie so fotografierte und sogar ihr Bild ins Netz stelle? Damals war sie ja noch ziemlich locker, aber bald danach wurde sie aus ungeklärten Gründen schaurig verklemmt und bastelte sich aus Feigenblättern den ersten Bikini (Gen3,7).