Eine kluge Jungfrau

Im Matthäusevangelium (25, 1-13) erzählt Jesus bekanntlich die Beispielgeschichte von zehn jungen Frauen, die zu einer Hochzeit eines vielbeschäftigten Mannes eingeladen waren; der Mann hat sich masslos verspätet, und die zehn jungen Damen legten sich schlafen. (Was die Braut tat, ist nicht überliefert; der Tor hätte, wie er sagt, die Verlobung gelöst, aber dann würde uns ein schönes Gleichnis fehlen.) Allerdings hatten nur fünf von ihnen Öl für ihre Lampen dabei, mit dem sie dem Brautpaar wohl heimleuchten wollten. Die anderen mussten, wie der überbeschäftigte Herr endlich kam, zu nachtschlafender Zeit erst welches kaufen, verloren viel Zeit und kamen gar nicht mehr in den Festsaal hinein. Sie wurden für die folgende Tradition zu den „törichten Jungfrauen“, die deutlich sichtbar machten, wie man nicht sein und leben sollte, vor allem auch deshalb, weil sich irgendwann im Mittelalter herausgestellt hatte, das sie nicht nur unterbelichtet, sondern auch unkeusch waren. Die anderen hingegen, die Öl hatten und mitfeiern konnten, wurden die „klugen Jungfrauen“. Die beiden Gruppierungen wurden in der Kunstgeschichte, vor allem bis in die Gotik, dankbarer Stoff für Kunst, so auch in der Turmhalle unseres Münsters. Die „klugen“ finden sich auf der Nordseite der Halle, wo die positiven Beispiele christlichen Lebenswandels dargestellt sind, die „törichten“ gegenüber als Beispiele dafür, wie man es nicht machen soll.

Die schöne junge Frau hier ist eine der fünf „Klugen“, erkennbar daran, dass die Lampe in ihrer Hand aufgerichtet ist, also brennt. Über ihrem blonden Haar liegt ein Schleier, und das ganze ist zusammengehalten von einem Haarreif. Unter ihrem schön geschmückten Oberkleid, der „Cotte“, trägt sie ein feines Unterkleid, dessen längere, eng anliegende Ärmel bis zu den Handgelenken reichen. Die Münsterfiguren wirken teilweise so, als wären sie einem Katalog der hochmittelalterlichen Freiburger Schneider für gehobene Ansprüche entsprungen.

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