
Die übrige Redaktionskonferenz kann dem Ministranten nicht ganz folgen, der sich an Max und Moritz erinnert fühlt, wenn er die beiden so ziemlich kess in die Heilsgeschichte blicken sieht. Aber es stellt sich doch die Frage, wie die beiden, der Herr Welt mit seinem eitlen Schein und die Frau, vielleicht Frau Venus mit ihren aus- und einladenden Kurven, in die Turmhalle des Münsters geraten sind, wo es doch überwiegend keusch und fromm zugeht. Der Historisch-Kritische ruft den anderen in Erinnerung, dass die Turmhalle kein Museum schöner Statuen ist, die einfach so beieinander stehen, sondern – in ihrer Zeit für Analphabeten gebaut – Katechismus und biblische Geschichte in einem und in Auswahl und Anordnung der Figuren von theologischem Sachverstand kunstvoll komponiert ist. Und wenn das Freiburger Gottesvolk seit 700 Jahren nach absolvierter Messe durch die Turmhalle hindurch dem Sonnenlicht und dem Sonntagsbraten zusteuert, so hat es zur Rechten leuchtende Beispiele der Tugend: Fünf Kluge Jungfrauen und Heilige von der besten Sorte wie Johannes den Täufer und Maria Magdalena. Aber vorne, ganz im Westen und den Ausgang leicht versperrend, kriegen die scheidenden Frommen noch einen Appell mit: Auf der rechten Seite, der des guten Weges also, steht die Warnung: Wiegt euch nicht in falscher Sicherheit, das Böse lauert immer und überall und ködert euch; verlockend stehen da Herr Welt und die nackte Frau, also Sex, Rang und Prestige, Macht und Geld. Und wohin die zwei führen, das sieht man, wenn man sich nochmals umdreht, im Tympanon, in der dritten Zeile von unten ganz rechts: in den Höllenrachen. Das Münster verkündet eben immer Froh- und Drohbotschaft.